Hommage an einen Freund
Franz Cahannes

Sein Leben als Künstler
Schon in der Schule stand das Zeichnen bei ihm im Vordergrund. Rechnen, Geometrie oder Sprache waren seine Sache nicht. Um die langweiligen Schulstunden hinter sich zu bringen, brauchte er ein Blatt Papier und einen Schreibstift, und schon entstanden leibhafte Figuren und Bilder. Wir, die wir ihn von Kindsbeinen an kannten, bewunderten Bernard („Beni“) Caduff für diese Fähigkeit. Er war ein Künstler, dessen Talent für uns fest stand. Die Bewunderung steigerte sich angesichts des Umstandes, dass Beni trotz seiner Feingliedrigkeit ein gewiefter Fussballer und – obwohl er über die schlechteste Ausrüstung verfügte – in jungen Jahren ein mutiger Skifahrer war. Überhaupt, der Sport war ihm Lebenselixier und nicht von ungefähr finden sich in seinem oeuvre allerorten Spuren der körperlichen Bewegung. Vom Fussball über Tennis bis hin zum Minigolf, überall war Beni ein höchst talentierter Mitspieler. Zuletzt träumte er noch davon, Golf zu spielen und die nötigen Handicaps im Sturmlauf zu erzielen.

Beni wurde 1949 in Tavanasa als drittes von fünf Kindern geboren und wuchs in äusserst bescheidenen Verhältnissen auf. Den Vater verlor er früh. Seine Begabung wurde zwar registriert, aber nicht speziell gefördert. Seiner Mutter zuliebe absolvierte Beni zunächst eine Lehre bei der Post.
Nach Lehrabschluss zog er aus dem Bündnerland nach Zürich, setzte sich dort fest, entdeckte seine ausgelassene und rebellische Seite. Es folgten die Jahre der Wohngemeinschaften und des Jobbens als Gelegenheitsarbeiter. Beni genoss diese Dekade des Umbruchs und fand auch Zeit, sich intensiver mit der Malerei und abstrakten Künstlern auseinanderzusetzen. Er bildete sich autodidaktisch weiter. Seine Bilder wurden in der WG kommentiert und künstlerisch eingeordnet. Zwar nicht immer korrekt, aber die Impulse waren Beni wichtig. Es zog ihn immer mehr weg von der Darstellung von Landschaften hin zur abstrakten Figürlichkeit. Picasso, dessen Werk Beni bewunderte und begierig verschlang, fand zunehmend Eingang in seine Darstellungen. Auch Paul Klee stand ihm Pate für manches Werk.
Die späten 60-er und 70-er Jahre waren geprägt durch die Popkultur. Slogans wie „Make love not war“ und „Flower Power“ hinterlassen in Benis Werk ihre Spuren. Er beginnt eine eigene Bildsprache zu entwickeln. Geometrisch inspirierte Arrangements, gerne in den Grundfarben Rot, Blau, Gelb halten Einzug. Er fügt zerquetschte Kreise und Kreissegmente zu floral anmutenden Gebilden, die etwas Spielerisches, Vibrierendes an sich haben. Kaleidoskopartig reihen sich leuchtende Splitter aneinander, um zu einem neuen Ganzen zu verschmelzen. Ende der 70-er Jahre kristallisieren sich dann zunehmend vielfigurige Konstellationen heraus – Kugeln oder Knöpfen gleich scheinen Köpfe über Linien zu schweben, die Lebewesen gehören. Kraftvolle Linien lösen sich im lichtvollen Hintergrund auf.
Beni_GolfDie 80er-Jahre, die Zeit der Familie, der Geburt seiner Tochter Sereina und der Scheidung kommen einer Berg- und Talfahrt gleich. Beni, seit 1976 als Sachbearbeiter bei der AHV-Ausgleichskasse Gärtner&Floristen tätig, kann auf das Verständnis einfühlsamer Vorgesetzter zählen: Er reduziert sein Arbeitspensum auf 50% und pendelt fortan zwei-, dreitageweise von Tavanasa nach Zürich, um das für ihn und die Tochter notwendige Lebenseinkommen zu sichern. Tochter Sereina weiss er – während der Tage, da er in Zürich weilt – in der liebevollen Obhut seiner eigenen Mutter Rosa gut aufgehoben. Die partielle Rückkehr in seine Heimat, widerspiegelt sich auch in seinen Bildern. Die Fröhlichkeit, die sich in „Arlecchino“porträts im Stil der comedia del arte zeigt, kontrastiert mit naturgetreuen Widergaben dörflicher Porträts aus seiner Heimat bis hin zur Erfassung der Kirchen von Danis und Brigels und der dort ausgestellten Madonna.
Gleichzeitig sucht und findet Beni eine neue Herausforderung. Er erschliesst sich eine neue künstlerische Dimension, entdeckt ein neues Material und lässt sich gestaltend auf die Dreidimensionalität ein. Plastische Figuren aus Bronze entstehen. Zu diesem Zweck bildet er sich erst mal weiter, besucht in Zürich Kurse. Beni kreiert nun Plastiken, gerne solche, die Engeln ähnlich sehen – ihre flügelähnlichen Bewegungen drücken Kraft und Spiritualität gleichzeitig aus. Sie wirken erdverbunden und stabil, ihr Winken verweist aber auf die temporäre Dimension der menschlichen Existenz und lassen etwas Grosses erahnen, das unsern Augen verborgen bleiben muss. Symbole einer gelungenen Balance.

Seine Plastiken hätten sich gut verkaufen lassen, Beni wollte und konnte aber nie auf Bestellung kreativ und arbeitsam sein. Er brauchte den ganz bestimmten Augenblick um seiner Intuition folgend neues erstehen lassen zu können. Diese Haltung, die sein Wirken lebenslang bestimmte war auch der Hauptgrund dafür, dass Beni zwar immer wieder von einer eigenen Ausstellung träumte, sie aber trotz dem Zureden und der Hilfestellung seiner Freunde nie zustande bringen wollte.
Beni-MutteinsDie Werke seit den 90-er Jahren werden wieder stark von Gruppenbildern geprägt, seien es unnahbare, vertikal gestellte und wenig Bewegung ausstrahlende Gebilde oder dann aber dynamische sportliche Gruppenkämpfe. War es die Sehnsucht nach Gemeinschaft, die sich in der reiferen Altersphase Ausdruck verschaffen wollte? In seinen späten Bildern dominiert klar die Vertikale. Beni greift das Sujet der vielfigurigen Konstellationen wieder auf, abstrahiert aber noch mehr. Kerzen gleich richten sich Figuren nun wie schmale Säulen auf, wie angezündete Dochte leuchten die Köpfe. In diese Kompositionen sind hieroglyphisch anmutende, geheimnisvolle Zeichen eingestreut – Buchstaben ähnlich, die sich einer Dechiffrierung aber letztlich verweigern. Das Abgenabelt-sein, die Isolation wird darin ebenso sichtbar wie die Zuversicht auf das Aufgehobensein in einem Kosmos, dessen Deutung sich dem Menschen letztlich entzieht. In der Kunst kann er sich immerhin über die Zeit- und Raumgrenzen andern Menschen mitteilen, sie an seinen Sorgen und Freuden teilhaben lassen.

Der Mensch und die Facetten seines Da-Seins waren das zentrale Thema von Benis Oeuvre. Dabei wird bis zuletzt eine zauberische Heiterkeit spürbar, die den Künstler, aber auch den Menschen Beni Caduff auszeichnete.
Zürich, 27. Dezember 2008
Franz Cahannes und Gabi Einsele